Handlung:
Paula und ihr Mann haben sich über die Jahre auseinandergelebt und die achtzehnjährige Tochter ist nur noch selten zu Hause. In ihrer Einsamkeit hört Paula die biologische Uhr umso lauter ticken. Sie weiß jedoch, dass sie kein weiteres Kind bekommen sollte, denn in ihrer DNA schlummert eine Erbkrankheit.
Als Genetikingenieurin wäre es für Paula ein Leichtes, das Genom von im Reagenzglas gezeugten Embryonen zu verändern. Sie hat diese Technologie tausendfach bei Zuchtrindern angewandt. Allerdings ist der Einsatz beim Menschen aus ethischen Gründen verboten.
Dies kann Paula nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Bei der Umsetzung benötigt sie jedoch Hilfe. Zufällig lebt auf der anderen Seite des Gartenzaunes genau jene Person, die sie für ihren Plan benötigt. Eine Lüge folgt auf die nächste und Paula ist nicht die Einzige, die geheime Ziele verfolgt ...
Mein Eindruck:
Mit einem sensiblen Gespür für alltägliche Details wird diese spannende und berührende Geschichte in sorgsam gewählten Worten erzählt. Obwohl alle vier Hauptpersonen im Wechsel als Ich-Erzähler zu Wort kommen, liegt der Fokus gefühlt auf Paula, deren Verzweiflung auf jeder Seite spürbar ist. Selbst Menschen, die dem Thema Kinderwunsch neutral gegenüberstehen, gelingt es, sich in die Protagonistin hineinzuversetzen und ihrer Gefühlswelt zu folgen.
Das Buch enthält neben Thrillerelementen auch dramatische Züge, denn neben den persönlichen Problemen der vier Figuren werden vor allem die fragilen Gebilde dieser beiden Ehen in den Mittelpunkt gestellt. Nach außen wirkt alles eitel Sonnenschein, doch in Wahrheit lauern Abgründe hinter der Fassade, die durch Paulas wahnwitzigen Plan plötzlich sichtbar werden. Es stellen sich grundlegende Fragen, mit denen Menschen zu kämpfen haben: Wie sind Macht und Abhängigkeiten in Beziehungen verteilt? Was ist, wenn Lebensvorstellungen von Paaren sich unterscheiden? Welche Rolle spielt der Kinderwunsch für das eigene Leben und die gemeinsame Zukunft? Welche Bedeutung haben Liebe, eigene Wünsche und die Verantwortung für sich selbst und andere in Familien, die glücklich scheinen, es aber nicht sind?
Die drängendste Frage ist jedoch die nach den Möglichkeiten und Risiken der Gentechnik, nicht nur, aber vor allem bei der Zeugung von Kindern: Anna Lena Diel betrachtet sie ausführlich und mit einem umfangreichen Hintergrundwissen. Durch geschickt eingebaute Dialoge wird dieses Wissen an die Leser weitergegeben, die alle Seiten in der Diskussion zu hören (oder vielmehr zu lesen) bekommen, und sich im Anschluss ihr eigenes Urteil bilden können.
Eine moralische Bewertung erfolgt nicht: Sie bleibt dem Leser selbst überlassen, der nun alle Pros und Kontras kennt und sich selbst eine Meinung zu bilden vermag.
Das Erzähltempo der Story ist gleichermaßen flott wie unaufgeregt. Intensive, lebensnahe Schilderungen lassen die Geschichte wie etwas wirken, was Normalsterblichen durchaus passieren kann. Die sehr realistischen Schilderungen untermauern den Eindruck zusätzlich. Die Geschichte entstammt der Fantasie, doch deswegen ist sie nicht unbedingt Science-Ficion. Sie ist vielleicht schon näher an unserer eigenen Lebenswelt, als wir ahnen. Und wie würden wir wohl selbst entscheiden, wenn wir in eine solche Lage wie die Protagonisten gerieten?
Fazit:
Ein kleines, feines Buch mit schlichtem, ansprechendem Cover und vielsagendem Titel, das ein aktuelles Problem durchleuchtet und ganz gewöhnliche Familien in einen besonderen Fokus nimmt.
Das Buch wurde mir von der Autorin zur Verfügung gestellt. Dafür danke ich herzlich. Meine Meinung hat dies nicht beeinflusst.
Quelle Handlung und Cover: Amazon