Donnerstag, 7. Oktober 2021

Rezension: "Das Haus am Deich - Fremde Ufer" von Regine Kölpin

Inhalt:

In ihrem Roman „Das Haus am Deich – Fremde Ufer“ erzählt SPIEGEL-Bestsellerautorin Regine Kölpin die Geschichte zweier ungleicher Freundinnen. Inspiriert von der Geschichte ihrer eigenen Familien geht es in diesem 1. Band der dreiteiligen Saga um die Jahre 1947 – 1950, um Flucht, Neuanfang und Suche nach Heimat.  
1947: Nach einer dramatischen Flucht aus Stettin findet die junge Frida mit ihren Eltern in der Wesermarsch Zuflucht – Heimat ist es nicht. Um zu überleben, muss die Familie auf einem Bauernhof hart arbeiten; Fridas Traum, Pianistin zu werden, rückt in weite Ferne. Auch ihre Kindheitsfreundin, die Anwaltstochter Erna, kann ihr nicht helfen. Denn auch sie tut sich schwer, in Norddeutschland anzukommen, und findet zudem bei ihren Eltern keinen Halt, als sie unehelich schwanger wird. Erst ein kleines Haus direkt am Deich bringt Hoffnung – auf Wärme, Zugehörigkeit, ja sogar eine neue Heimat!  
Vor der atmosphärischen Kulisse Norddeutschlands entfaltet sich in „Das Haus am Deich“ das Schicksal zweier Frauen und ihrer Familien: wahrhaftig, atmosphärisch und bewegend! 

Band 1: Das Haus am Deich – Fremde Ufer
Band 2: Das Haus am Deich – Unruhige Wasser
Band 3: Das Haus am Deich – Sicherer Hafen

Mein Eindruck:

Regine Kölpins Romane sind wahre Pageturner! Auch dieser Auftakt einer dreiteiligen Saga eignete sich wieder ausgezeichnet zum Wegsuchten am Stück. Das Buch ist vom Plot her ähnlich aufgebaut wie die Nordseehof-Saga, das Setting ist vergleichbar, sogar die Figuren ähneln sich zuweilen ein bisschen: Es scheint, als sei der bekannte Erfolgsmix ein weiteres Mal geschüttelt und in ein Glas gegossen worden, um erstklassig schmackhaft serviert zu werden, denn beim Lesen stellte sich tatsächlich so etwas wie ein vertrautes Gefühl ein, obschon die Geschichten natürlich individuell sind.

Auch hier erzählt sich die Story wieder durch die Augen verschiedener personaler ErzählerInnen, die ihre Sicht auf die Dinge mit dem Leser teilen und dadurch Spannung hineintragen. Dieser Rundum-Blick wird durch eine lebensnahe, glaubwürdige und detailreich geschilderte Darstellung des bäuerlichen Alltags ergänzt und erhält durch die Bezüge zu den Grauen des Krieges eine besondere historische Würzung. Wie nicht anders von Regine Kölpin gewohnt basiert ihre herzberührende Story auf intensiven und vielfältigen Recherchen über Kriegserfahrungen und deren Folgen, das Leben zu jener Zeit in Norddeutschland, die Erfahrungen als Flüchtling und eine gewisse Menschen- und Charakterkunde, die Nähe zu den Figuren ermöglicht.

Der Kontrast zwischen dem bäuerlichen Flüchtlingsleben, das Stück für Stück mehr zu einem selbstbestimmten Leben aufgebaut wird und den Traumata der Flucht und des Krieges, die in Rückblenden eingestreut werden, bildet einen soliden Unterbau, aber was wirklich das Herz erwärmt, sind die Träume und Hoffnungen der beiden starken Frauen, die sich entscheiden, nach jedem Schlag ins Genick wieder aufzustehen und es nochmal zu versuchen! Regine Kölpin legt uns nahe: Oft laufen die Dinge nicht immer so, wie wir sie uns wünschen. Aber das Besinnen auf unsere Stärken, mutiges Voranschreiten und vor allem zwischenmenschliche Bindungen geben uns genug Auftrieb, um unsere Träume nicht aus den Augen zu verlieren.

Die beiden Hauptfiguren, Frida und Erna, sind liebenswert und sehr menschlich gezeichnet. Sie haben ihre Träume, die sie über einen widerspenstigen Alltag hinweg zu retten versuchen, was manchmal nur schwer oder zweitweise der Umstände wegen einfach auch gar nicht gelingt. Sie haben ihre Verluste und leidvollen Momente und sprühen doch insgeheim vor Lebensfreude, Hoffnung und Gefühl, sogar angesichts traumatischer Erfahrungen! Sie gestalten ihr Leben so gut sie es vermögen und scheitern doch immer wieder an den Ereignissen im Außen, das sich ihnen zuweilen wie ein Knüppel zwischen die Beine wirft. Und sie haben einander, als Freundinnen und Begleiterinnen durch die Wirren des Daseins! Diese Verbindung und was es bedeutet, aber auch kostet, steht im Grunde im Zentrum: Der Roman ist ein kleines Hohelied auf die Freundschaft zweier sehr unterschiedlicher Frauen, die einander Kraft und Halt geben.

Regine Kölpin nutzt harmonisch-stimmige Bilder, die den Erzählfluss wirklich zu einem Fluss werden lassen, zu etwas Lebendigem, Greifbaren, mit dem man sich so lange immer wieder treffen will und von dem man nicht lassen kann, bis man auch die letzte Seite kennt. Und wie schön, dass diese letzte Seite sogleich den Auftakt zum nächsten Roman darstellt, denn es wird ja ein nächster Teil folgen!

Fazit:

Wer Familiengeschichten und menschliche Schicksale liebt, etwas historisches Interesse mitbringt und gern in die Tiefe geht, ist mit diesem Buch wunderbar bedient! Mir hat es viel Freude bereitet und meinen Blick auf die Welt wieder einmal ein Stück weit ergänzt und erweitert, weil ich Kraft aus solcherart Literatur und der Schicksalsbewältigung beeindruckender Figuren schöpfe und etwas für das eigene Leben daraus mitnehme. 

Das Buch wurde mir von der Autorin zur Verfügung gestellt, wofür ich von Herzen danke. Meine Meinung bleibt davon unbeeinflusst.

Quelle: Cover und Handlung