Inhalt:
Die 72-jährige Frauke Hansen staunt nicht schlecht, als sie einen alten Kutter erbt – und ihre Freundin Barbara die Idee hat, daraus ein schwimmendes Café zu machen, um der Langeweile der Seniorenresidenz in Burhave zu entkommen. Tatkräftig unterstützt von Teenager Keno, der Tischler werden möchte, wird der Kutter umgebaut. Bald fahren sie damit die umliegenden Häfen an, machen neue Bekanntschaften – unter ihnen auch Kenos Opa, der Fraukes Jugendliebe sehr ähnlich sieht. Frauke ist außer sich. Zum Glück steht ihr die kleine Crew des Kutter-Cafés stets mit Rat und Tat zur Seite – selbst wenn sich Turbulenzen abzeichnen sollten …
Mein Eindruck:
Das humorvolle Buch, in dem eine rüstige und im Kopf quietschfidele Rentnerin beweist, dass man auch in seinen Siebzigern noch lange nicht zum alten Eisen gehört, fand sich überraschend in meinem Briefkasten. Es sorgte mit seiner herzerwärmenden, lebensnahen und berührenden Geschichte für viel Lesevergnügen, das mich einige Stunden lang an das Sofa fesselte.
Mit seinen charmanten, liebevoll gestalteten und bewusst etwas überzeichneten Charakteren, die über Ecken und Kanten verfügen, ist das Buch witzig, unterhaltsam und voller Situationskomik. Die Figuren sind auch deshalb so reizvoll, weil sie nicht nur klassisch menschliche Wünsche, Sehnsüchte und Träume repräsentieren, sondern weil sie auch Werte wie Zusammenhalt, Freundschaft und familiäre Bindungen in den Fokus nehmen.
Somit lehrt dieser Feel-Good-Roman über drei Generationen auf eine unterhaltsame, nicht belehrende Weise, worauf es im Leben eigentlich ankommt: auf die Bindungen, die man sich schafft, pflegt und erhält. Auf das Miteinander und die gemeinsam verbrachte Zeit, auf zusammen realisierte Projekte, die von allen Beteiligten getragen werden. Auf gegenseitige Hilfe und Unterstützung, wenn es mal hart auf hart kommt.
Und es offenbart sich noch mehr Lebensweisheit: Die Gestaltung des eigenen Lebens passt nur dann exakt zu einer Person, wenn sie diese individuell auf die eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen zuschneidet - und die können sich bei jedem Menschen anders ausprägen. Erfüllung und Glück gibt es nicht von der Stange, nicht nach Maß und schon gar nicht, indem man sich bei der Suche danach ausgiebig nach links und rechts orientiert, statt auf die Botschaft im eigenen Inneren zu hören - es ist letztlich das eigene Herz, das einem den richtigen Weg weist. Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch. Jenseits aller Vergleiche und Urteile ist der eigene Weg nicht deshalb erstrebenswert, weil er sinnvoller oder besser ist als die der anderen Menschen. Er ist der richtige Weg, weil er den eigenen Seelenplan verwirklicht. Und genau deshalb sollte er unser aller Richtschnur sein, an der wir uns orientieren, ohne uns beirren zu lassen.
All das teilt uns der Roman mit. Jedoch bedient er sich dabei niemals der Schwafelei oder eines erhobenen Zeigefingers. Wie in all ihren Büchern ist auch in diesem der Erzählstil kurzweilig und luftig, sodass sich die Seiten auf locker-leichte Art so weglesen und man am Ende erstaunt zur letzten Seite blättert und denkt: "Ach! Schon vorbei!" Freilich mit einem kleinen Bedauern. Zum Glück hat Regine sehr, sehr viel geschrieben und es ist noch eine sehr lange Weile Nachschub möglich.
Nicht zuletzt nährt das für Regine Kölpin typische maritime Flair erneut die Nordsee-Liebe eines jeden Lesers. Mehr Landschafts- und Ortsbeschreibungen hätten es von mir aus auch noch sein dürfen, etwa in Dangast, wo ich regelmäßig meine emotionalen Akkus auftanke. (Werde ich dort jemals wieder am Strand oder Hafen stehen können, ohne Omas aufgemöbelten roten Kutter mit dem lustigen geschlechtsneutralen Namen vor mir zu sehen? 😁)
Fazit:
Mit einem Buch von Regine Kölpin macht man nie etwas falsch, so also auch mit diesem nicht.
Mir gefällt besonders, dass eine eher selten in der Literatur im Zentrum stehende Figur - weiblichen Geschlechts und bereits verrentet sowie verwitwet - die Hauptrolle spielt, um die herum sich die gesamte Geschichte entfaltet.
Das Buch wurde mir von der Autorin zur Verfügung gestellt, wofür ich herzlich danke.
Meine Meinung bleibt davon unbeeinflusst.