Dienstag, 12. Mai 2020

Texte als Lebenshilfe: Was ist Literaturcoaching und wem nützt es?

Für psychisch erkrankte Menschen gibt es in Form der Bibliotherapie schon lange therapeutische Hilfe, die Schreiben und Lesen in den Gesundungsprozess einbezieht. An diesem Grundgedanken orientiert sich auch das Literaturcoaching, das sich an psychisch gesunde Menschen richtet, die mit ihrem gegenwärtigen Leben nicht zufrieden sind und nach einer neuen Ausrichtung oder persönlicher Weiterentwicklung suchen: Texte werden zur Gestaltung des eigenen Lebens oder zur Seelenhygiene genutzt.

Literaturcoaching als Leser:


Das kann als Leser geschehen, indem man über Texte, die man gelesen hat, spricht und sie für sich deutet, auf unzähligen möglichen Wegen. Da kann zum Beispiel ein Gedicht Einblicke in die eigene Seele gewähren, wo vorher keine Worte zu finden waren. Eine Figur in einem Roman kann Stärke, Kraft und Zuversicht demonstrieren, die als Vorbild geeignet sind. Oder eine spannende Geschichte kann Denkprozesse in Gang bringen, zu denen bisher der Zugang einfach nicht gelingen wollte.

Literaturcoaching als Autor:


Das kann aber natürlich auch als Autor geschehen, indem man selbst Texte verfasst. Nicht, um damit reich und berühmt zu werden, (obwohl es auch das schon gegeben hat), sondern um den eigenen Gedanken und Gefühlen auf die Schliche zu kommen oder mithilfe der eigenen Fantasie Lösungsmöglichkeiten für Probleme zu finden und neue Ziele für die Zukunft zu entwerfen. Es gibt eine Vielzahl von tollen Übungen, um sich selbst zu entdecken und das eigene Leben unter die Lupe zu nehmen, von auotbiografischen Aufzeichnungen bis hin zur Lust an der fiktionalen Geschichte, die schon lange darauf wartet, das Licht der Welt zu erblicken.

Und wozu?


Geschichten dienen auch der Abwechslung und Unterhaltung - und viele Menschen lesen sie völlig zu Recht aus ebendiesem Grund. Aber sie haben noch mehr Geschenke für uns dabei: Sie zeigen uns neue, manchmal fremde oder sogar exotische Welten. Sie offenbaren Charaktere, Denkweisen und Urteile, die unsere eigene Perspektive erweitern und ergänzen oder ihr vielleicht sogar widersprechen. Sie stecken voller Philosophie, Ethik und Weltsicht und geben uns vielleicht gerade genau das, was uns in unserem eigenen Denken, Fühlen und Handeln gerade fehlt. Hast du schon einmal in einem Buch einen Satz angestrichen, der dich besonders berührt hat und den du dir unbedingt merken wolltest? Auch das ist Literaturcoaching!

Nehmen wir Papier und Stift oder Laptop zur Hand, entfaltet sich eine einzigartige Magie: Wir werden zu Schöpfern eigener Welten. Nicht umsonst gilt auch das Tagebuchschreiben als psychisch heilsam. Literaturcoaching geht weit über das hinaus: Es zeigt uns, wer wir sind, wer wir sein wollen und manchmal sogar, wie wir dorthin gelangen. Und es bringt in Kontakt: Manchmal sogar mit anderen Menschen, wenn wir wollen, indem wir zum Beispiel Briefe verfassen und unsere Emotionen mitteilen.

Literaturcoaching eignet sich für Menschen, die:

  • Bücher mögen und selbst gern lesen
  • die Bereitschaft mitbringen, sich mit ihren eigenen (versteckten) Gedanken und Gefühlen zu beschäftigen
  • etwas in ihrem Leben ändern wollen, weil sie vielleicht in einer Beziehung, an einem Ort oder in einem Job nicht (mehr) glücklich sind
  • neugierig mit Schaffensprozessen umgehen 

Was du überhaupt nicht brauchst, um ein Literaturcoaching auszuprobieren, ist:

  • Literarisches Fachwissen
  • Schreibtalent
  • künstlerischen Ehrgeiz

DU bist der Maßstab!

Das Coaching soll dir Freude bereiten, Kraft und Zuversicht geben und dir Wege aufzeigen, um dein Leben nach deinen eigenen Vorstellungen in die richtige Richtung zu schieben. Jede Art von Druck wäre dabei fatal. Es wird nicht der Eindruck entstehen, du säßest wieder im Klassenzimmer und müsstest dir unter den strengen Augen der Lehrkraft und dem Gekicher der Mitschüler ein paar sinnvolle Sätze abringen. Im Gegenteil: Die gedruckten Texte und deine eigenen werden zu Freunden, die dir den Rücken stärken und neben Informationen auch Selbstvertrauen schenken.