Mittwoch, 26. August 2020

Autorenvorstellung: Christine Striebel - Die Erschafferin einer fantastischen inneren Leibgarde im Kampf gegen sexuelle Gewalterfahrungen

Heute möchte ich euch eine ganz besondere Autorin vorstellen und sie im Anschluss selbst ausführlich zu Wort kommen lassen.

Ich traf Christine Striebel auf Facebook und hatte große Lust, ihr Buch "Mein Weg aus dem Trauma" zu rezensieren. Über diese Tätigkeit entwickelte sich eine Bindung, die selten und kostbar ist, denn ich begegnete nicht nur einem Werk, das mich faszinierte, sondern auch einer Frau, die aus meiner Sicht einen wertvollen Schatz geschaffen hat und für mich zu einem großen Vorbild geworden ist.

Christine Striebel

Christine hat als kleines Mädchen furchtbares Leid erfahren: Sie wurde von Menschen, denen sie vertraut hatte, an Leib und Seele verletzt und lernte die Welt als einen furchtbaren, schmerzhaften Ort kennen. Diese Erfahrungen blieben - wie es ja leider meistens der Fall ist - erhalten, als sie erwachsen war, als Lehrerin arbeitete, heiratete, selbst Kinder bekam. Sie waren immer irgendwo im Hintergrund präsent, egal, wie schön und gut sich das Leben zeigte.

Sie waren wie ein Schatten, der hinter ihr lauerte und irgendwann plötzlich wieder zuschlug, um alles Wertvolle und Gute, das sie sich aufgebaut hatte, zu zerstören. Die Verletzungen offenbarten sich auch in körperlichen Symptomen, die Christine den Alltag sehr schwer machten und schließlich ihre Arbeit unmöglich. Sie sorgten auch für Konflikte innerhalb der Familie und natürlich für Konflikte in ihrem Inneren, bis hin zu Depressionen, Todessehnsucht und dem Gefühl, völlig vernichtet zu sein.

Nun könnte man sagen, so ist das eben, wenn man ein Trauma erlebt - damit muss man zu leben lernen. Viele Therapien helfen ein bisschen, manche gut, andere sind nutzlos. Aber man bleibt trotz aller Bemühungen eben ein verletztes Geschöpf, vielleicht einigermaßen funktionstüchtig, doch niemals heil, niemals ganz. 

Damit wollte Christine sich nicht abfinden! Sie kämpfte, um sich ihr Leben und ihr Glück zurückzuerobern. Sie suchte nach Wegen und probierte aus, was ihr half und was nicht. Sie hat sich ihren Körper zum Freund gemacht, sich ihrer Vergangenheit gestellt und die lauernden Schatten eingeladen, ihr zu zeigen, welche nützlichen Botschaften sich hinter ihnen verstecken. Mithilfe verschiedener Therapiemethoden hat Christine sich den Weg ans Licht ertrotzt und über ihre Erfahrungen hat sie drei beeindruckende Bücher geschrieben, die sie mit uns teilt, um auch anderen über ihre Traumata hinwegzuhelfen. 

Christine Striebel bei der Arbeit
Das Besondere ist dabei der Weg, den sie beschritten hat: Mithilfe ihrer eigenen Fantasie hat die Autorin eine Welt in sich selbst geschaffen, die ihr dabei half (und hilft), die Schatten im Zaum zu halten und den eigenen Platz im Leben zu finden. Es sind Methoden, die für viele Menschen gut funktionieren können und es ist im Hinblick auf die eigene persönliche Entwicklung lohnenswert, Christine in ihren Büchern auf ihrem eigenen Weg zu begleiten.

Christine räumte auf. Sie sortierte ihr Gestern mit den schlimmen Erlebnissen, ihr Heute mit den Menschen, die sie liebt und ihr Morgen, mit dem Blick auf eine fröhliche Zukunft. Für mich ist ihr Buch eine Offenbarung gewesen: Meine Seele lachte und sang beim Lesen und fing auf einmal an, selbst ganz viele fantastische Ideen zu produzieren, die dazu beitrugen, mich selbst ein Stück weit heiler und richtiger zu fühlen. Das ist, was Texte manchmal können: Sie öffnen uns neue Welten, die wir entdecken dürfen und geben uns das Gefühl, verstanden zu sein.

Im heutigen Interview spricht Christine Striebel erfrischend offen über ihre Bücher, ihre Arbeit, ihre Vergangenheit und ihr Leben. Ihr könnt einen wunderbaren Menschen kennenlernen, neue Lektüre für euch entdecken und einen Blick auf ein Thema werfen, das unglaublich wichtig ist und immer und jederzeit in den Fokus der gesellschaftlichen Beachtung gehört.  

Liebe Christine, stell dich doch bitte kurz mit den klassischen Eckdaten vor.

Gerne stelle ich mich vor, liebe Katharina. Mein Name ist Christine Striebel. Ich bin Jahrgang 1952 und im Sternzeichen Zwilling geboren.

1974 heiratete ich und begann meine Lehramtstätigkeit in einer Hauptschule. Trotzdem spürte ich zunehmend, dass ich anders tickte als meine Kolleginnen. Ich engagierte mich besonders für Kinder mit Nöten und wurde dabei immer wieder ausgebremst.

1982 und 1983 durfte ich unseren beiden Kindern das Leben schenken. Auch heute noch sehe ich sie als Geschenke des Himmels an. Gleichzeitig verstärkte sich durch die Geburten mein Gefühl, unzulänglich zu sein. Unsere Tochter musste mit Saugglocke in die Welt geholt werden. Und unser Sohn startete 8 Wochen zu früh ins Weltgeschehen.

Meine Kinder, damals vor Unbekanntem beschützen zu müssen überforderte mich, wie ich heute weiß. Dies fand seinen Niederschlag in chronischen Kopfschmerzen, Durchfällen, Harnwegsinfekten und dem zunehmenden Drang, zu rauchen und Alkohol zu trinken. Ich musste erneut, wie während meiner ersten Schwangerschaft, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch, um einigermaßen funktionieren zu können.

Am 23. Juni 1993 entdeckte ich endlich den Grund für meine latente Todessehnsucht: die erste Erinnerung an mein Kindheitstrauma. Ich hatte seit meinem 5. Lebensjahr immer wieder sexuelle Gewalt erfahren. Nach dem Absturz beim Erinnern folgte eine kurze Phase der Entlastung. Denn ich glaubte: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Doch dies war leider ein Irrtum. Wenige Tage später begann mein Ritt durch die Hölle. Ich war nicht mehr in der Lage zu unterrichten. Nach drei Jahren schlimmer Depressionen wurde ich dann ich dann im Herbst 1996 wegen PTBS in den Vorruhestand versetzt.

In den Jahren danach lernte ich, in Verhaltenstherapien, mich mit meinem Schicksal zu arrangieren.

2009 entdeckte ich zufällig die Trauma-Therapeutin, deren Begleitung ich mein heutiges glückliches Leben verdanke. Ich nahm mir damals vor, so ehrlich wie möglich gegenüber der Therapeutin zu sein, nichts gedeckelt zu halten. Denn nur so hatte auch sie die Chance, an der richtigen Stelle zu intervenieren. Nach zwei Jahren Therapie hatte ich es geschafft. Ich war in meinem heutigen Leben angekommen. Noch heute darf ich neugierig Neues entdecken und ausleben. Hierfür bin ich von Herzen dankbar.

Erzähl uns gern von deinen Büchern: Wie heißen sie und wovon handeln sie?

Als im Jahr 1993 mein Ritt durch die Trauma-Hölle begann, wurde ich bedauert und getröstet. Schließlich würde ich aus diesem Trauma nie herauskommen. So war die damalige Prognose. Gott sei Dank erwachte da mein Trotz. Ich nahm mir vor der ganzen Welt zu beweise, dass man ein solches Trauma überleben und wieder glücklich leben kann. Ich begann Tagebuch zu schreiben und hielt mich an meinem Ziel fest, wenn es mir besonders schlecht ging.

Diese Lebensphase mit ihren Zeiten der Verzweiflung, der Starre und Panik, des Erkennens, des Verstehens, des Annehmens und vieler Entlastungsideen findet in meinem Buch „Nicht allein“ Raum. Bereichernd empfinde ich die Berichte anderer Betroffener, die in meinem Buch auch zu Wort kommen. Auch bei Ihnen legte ich Wert darauf, dass sie vom Hier und Jetzt sprachen und konkrete Verstehens- und Unterstützungsbeispiele enthalten. Das Wissen ,„nicht allein“ zu sein, stärkte uns.

Gleichzeitig erfuhr ich von einer besonderen Überlebensstrategie Betroffener, der „Multiplen Persönlichkeitsstörung“. Die Seele schützt die Betroffenen davor in der Todesangst nicht alles mitzubekommen. Hierfür schufen sie neue Innenanteile. Diese führen in späteren Zeiten zu Zeitverlusten. Und das gestaltet ihr Leben recht schwierig. Denn was mache ich, wenn ich mit Skiern an den Füßen oben auf einem Berg stehe und nicht weiß, wie man Ski fährt?

Von diesem Phänomen handelt mein zweites Buch „Schritt für Schritt ins Leben“. So wie „Nicht allein“ soll es Betroffenen, hier mit vielen Innenanteilen, die Möglichkeit geben, sich zu verstehen, anzunehmen und wieder ein gutes Leben führen zu können.

Und dann wurde ich durch meine Traumatherapie 2011 in ein Leben katapultiert, von dem ich nicht einmal ahnungsweise wusste, dass dies möglich wäre. Mein Mut, einen letzten Therapieversuch mit neuen Methoden zu machen, hatte sich gelohnt.

Aus diesem berauschenden Glücksgefühl heraus entstand das Buch „Die Heilung meines Traumas“. Es ist inzwischen überarbeitet und in neuer Gestalt als „Mein Weg aus dem Trauma“ in allen Buchhandlungen erhältlich.
Buch "Mein Weg aus dem Trauma" von Christine Striebel

Wann hast du mit dem Schreiben angefangen und aus welchem Grund?

Dieses intensive Schreiben begann mit meinen Tagebuchaufzeichnungen, nachdem ich am 23. Juni 1993 mein erstes traumatisches Erlebnis erinnert hatte.
Wie schwer war es für dich, über deine Erfahrungen zu schreiben und damit an die Öffentlichkeit zu gehen? Warum hast du dich dafür entschieden? Was hat das mit dir selbst gemacht?

Bei „Nicht allein“ ging es mir sehr lange schlecht beim Schreiben. Immer wieder tauchte ich dabei in meine Dramen ein. Und wenn es mir beim Schreiben schlecht ging, dann würde es auch beim Leser zumindest Unbehagen auslösen. Ein Mutmach-Buch stellte ich mir anders vor. Deshalb veränderte ich mein Konzept. Mit viel Freude entstand dann „Nicht allein“. Es ist ein Quell an aktuellen Momentaufnahmen Betroffener, mit Verständnisbeispielen, es vermittelt Wissen, zeigt Wege aus der Trauma-Falle und bietet Schutz- und Handlungsmöglichkeiten an. Wir kommen vom Reagieren ins Handeln.

Das Schreiben aller Bücher hat mich seelisch weitergebracht. Denn wenn ich schreibe, soll es verständlich und klar sein. Es soll so formuliert sein, dass man auch, wenn man nicht ganz so aufmerksam lesen kann, weil man in einer Depression steckt, doch erkennen kann, was die Botschaft ist. Um so schreiben zu können, muss auch ich ganz klar in meinen Gedanken sein. So unterstützten die Bücher meinen eigenen Heilungsprozess, der ja stets durch neue Erfahrungen weiter läuft.

Während dieser langen Zeit mit dem Trauma im Gepäck ging es mir oft so, dass ich nicht mehr leben wollte. Doch ich hatte das Glück, dass ich zu diesen Zeiten so entkräftet war, dass ich das Bett nicht verlassen konnte, der Bahndamm zu weit entfernt war.

Das Tagebuchschreiben als Überlebensbeweis genügte mir irgendwann nicht mehr als Lebensanker. Da stolperte ich in einem Buch über die Sinnfrage unseres Lebens. Hieraus entwickelte sich der Gedanke: Wenn ich ein Selbsthilfe-Buch schreibe, dann gehe ich meinen Weg auch für andere. Damit kann ich ihren Weg leichter machen und vielleicht manchen Umweg ersparen. Ganz besonders liegen mir die jungen Menschen am Herzen. Je früher sie ihr Trauma bearbeiten können, umso mehr lebenswerte, glückliche Jahre dürfen sie erleben. Wenn ich das geben kann, dann hatte ich ein sinnvolles und erfülltes Leben.

Hattest du bei der ersten Veröffentlichung Angst vor den Reaktionen?

Nein, gar nicht! Ich war von meinem Lebensauftrag so überzeugt, dass ich selbst die vorhandene Ablehnung meiner Familie gegenüber den Büchern, nicht wahrnahm. Erst neulich berichtete mir meine Tochter davon. Und ich fiel aus allen Wolken. Mein Filter damals hatte mich all diese Worte und Zeichen überhören und übersehen lassen.

Dein Ziel ist es ja, mit deiner eigenen Geschichte Menschen zu helfen, indem du sie an deinen Erfahrungen teilhaben lässt. Wie reagieren die Menschen auf deine Bücher? Bekommst du Rückmeldungen, die dich erkennen lassen, dass du dein Ziel erreichst? Und wie fühlt sich das für dich an?

Es macht mich glücklich und berührt mein Herz, wenn ich von den heilsamen Impulsen erfahre, die meine Bücher auslösen. Manche Leserin und mancher Leser meldet sich immer wieder bei mir, um von Fortschritten und neuen Erfahrungen zu berichten. Mit anderen stehe ich kurzfristig in Kontakt, um Fragen zu den Büchern zu besprechen oder Übungen individuell anzupassen. Doch natürlich ersetzen meine Bücher keinen Arztbesuch oder Psychotherapie.

Ich bin dankbar, dass ich die Fähigkeit habe, einfach und klar komplizierte Zusammenhänge zu beschreiben. Jeder Bericht erwärmt mein Herz, der sich durch meine Worte Umwege ersparen kann, Zuversicht gewinnt und mehr Lebensqualität erfährt.

Was tust du, wenn du – was ja immer mal wieder vorkommen kann – schlechte Momente hast und es dir damit nicht so gut geht? Wie schaffst du es, dich wieder zu fangen?

In der Zwischenzeit kommt es kaum noch vor, dass es mir seelisch richtig schlecht geht. Doch wenn mich ein unangenehmes Gefühl erwischt, dann spüre ich ihm nach. Und wenn ich Zeit habe, kümmere ich mich intensiver darum. Was ich tue, entscheide ich dann je nach Situation. Denn ich bin diesen unguten Gefühlen nicht mehr, wie früher, ausgeliefert. Ich habe inzwischen Wahlmöglichkeiten.

Entweder, bleibe ich in dem Gefühl, bis es sich auflöst bzw. verändert. D.h. ich erlaube mir zu weinen, spazieren zu gehen oder mich beispielsweise ins Bett zurück zu ziehen. Ich tue, wonach mir ist.

Ein anderes Mal frage ich, was mir das Gefühl sagen möchte, wo ich mich besser schützen muss oder ob ich irgendwelche Konsequenzen ziehen muss. Und besonders hartnäckige belastende Gefühle bringe ich an meinen Inneren Sicheren Ort. Dort bekommen sie all das, was sie brauchen und reifen nach. Und irgendwann taucht dann dieses Gefühl im Hier und jetzt, nicht mehr auf.

Wenn ich keine Zeit habe, spreche ich kurz mit dem aktuellen Gefühl, sage ihm gedanklich, dass ich es wahrgenommen habe und gebe einen Zeitpunkt an, zu dem ich dem Gefühl Raum gebe werde. An diese Vereinbarung halte ich mich. Dann verfahre ich mit dem Gefühl wie oben beschrieben.

Deine Bücher basieren bislang ja auf deinen eigenen Erfahrungen mit bestimmten therapeutischen Heilmethoden und beleuchten die Heilung deines eigenen Traumas. Hast du Lust, vielleicht auch einmal an einer fiktiven Geschichte zu arbeiten, die sich mit deinen Themen befasst? Gibt es Ideen? Den Wunsch und den Drang, weiterzuschreiben?

Tatsächlich liegen in meiner Schublade verschieden Buchideen, vom Kinderbuch bis zum Schicksalsroman. Doch bisher brenne ich noch für keine Idee. Solange das so, ist sammle ich weiter Ideen und warte auf den zündenden Funken. Die Zeit wird es bringen, ob es noch ein neues Werk von mir geben wird.

Im Augenblick genieße ich mein Leben mit meinem Mann, meiner Familie und ganz besonders mit meiner kleinen Enkelin. Die freie Zeit nutze ich für die Buchwerbung und das, was mir Freude bereitet.

Ist Schreiben für dich ein Talent, das ausgelebt werden will? Ein Handwerk, das man lernen kann? Eine kreative Therapiemethode? Oder etwas ganz anderes?

Tatsächlich ist für mich Schreiben von allen angebotenen Vorschlägen etwas. Der starke Drang, etwas zu schreiben, muss für mich vorhanden sein. Ich muss für etwas brennen, sonst halte ich es nicht durch, immer weiter und weiter zu schreiben.

Natürlich gehört auch Handwerkszeug dazu. Hierfür habe ich bei der Axel Anderson Akademie eine Ausbildung zur Autorin gemacht. Leider musste ich auf die letzten beiden Aufgaben, und damit den Abschluss verzichten, weil diese in die Zeit meiner Trauma-Hölle fielen und ich keine Fristverlängerung bekam. Heute lese ich viel und beschäftige mich mit den unterschiedlichsten Themen zum Schreiben.

Zusätzlich kann ich das Schreiben auch therapeutisch nutzen. Manchmal, wenn ich einer Freundin ein Problem schreiben möchte, klärt sich die Frage bereits beim Schreiben des Briefes. Fiktive Briefe zu schreiben und diese immer wieder zu überarbeiten, können auch zu Problem-Lösungs-Ideen führen.

Und dann gibt es noch einen weiteren Punkt, der mir bezüglich Schreiben wichtig ist. Ich liebe es mit Worten zu spielen. Sätze umzustellen und aus Satzbandwürmern kurze Sätze zu basteln.

Liest du selbst auch gern? Welche Art von Büchern gefallen dir?


Als Kind interessierten mich Bücher wenig. Vielleicht, weil ich ständig aufgefordert wurde, doch endlich zu lesen. Mit 10 Jahren bekam ich mein erstes eigenes Buch. Da man es eigentlich erst mit 11 Jahren lesen durfte, wurde ich neugierig. Ich nutzte jede Freizeit, die gruselige Geschichte fertig zu lesen.

Danach las ich gerne. Allerdings reichte meine Konzentration nur für unzusammenhängende, kurze Geschichten, wie Sagen. Heute verstehe ich, woran das lag. Wer kann sich schon an „gefährlichen Abenden“ gut konzentrieren?

Erst als ich verheiratet war, begann ich, Agatha Christi und andere Krimis zu verschlingen. Ein paar Jahre später, als ich das Gefühl hatte, dass mit mir etwas nicht stimmte begann ich psychologische Selbsthilfebücher zu verschlingen.

Seitdem meine Seele gesundet ist, lese ich vorwiegend romantische und historische Romane. Im Augenblick schnuppere ich auch in Fantasy-Romane hinein.

Was magst du außer der Literatur gern?

Ich häkle gerne und werde da auch immer kreativer, da ich inzwischen auch ohne Anleitung ganz gute Objekte erschaffen kann. So entstanden für meine Enkelin Obst und Gemüse für ihren Kaufladen.

Puzzles machen den Kopf frei und fordern mich heraus.

Und ganz besonders liebe ich die Phantasiespiele mit meiner Enkelin. Ich blühe dabei auf, weil ja die Drohung meiner Trauma-Zeit nicht mehr wirkt.

Du hattest damals ja leider keine Unterstützung bei den traumatischen Erlebnissen, die dich geprägt haben und dir unfassbarerweise nicht geglaubt wurden. Was denkst du: Wird heutzutage aus deiner Sicht genug für Kinder, die sexuelle Gewalt erfahren haben, getan? Wie empfindest du den gesellschaftlichen Diskurs zum Thema?

Ob heute genug für Kinder in der Not getan wird kann ich nicht beurteilen. Da bin ich inzwischen zu weit weg davon. Zum Umgang in den Medien und der Gesellschaft habe ich ein ungutes Gefühl. Es wird mit Schlagworten gearbeitet, die ein kurzes „Oh je, wie furchtbar“ auslöst. Doch welche Dramen und schlimmen Schicksale bei den Opfern und ihren Familien und den Täter-Familien abspielen, kann kein Außenstehender auch nur ansatzweise erahnen.

Was würdest du Opfern von sexueller Gewalt mit auf den Weg geben wollen?


Bitte suche Dir die zum jeweiligen Zeitpunkt passende Unterstützung im Außen. Denn auch DU hast das Recht wieder gut zu leben.

Wende dich bei Unsicherheiten an Hilfsorganisationen wieder „Weißer Ring“, „Wildwasser“, „Nina“, „Zartbitter“ und andere. Sie können ganz individuell auf dich eingehen und dir bei der Klärung von Fragen helfen. Höre dabei auf deinen Bauch. Denn nur, wenn die Chemie mit dem Berater stimmt, wirst du Ideen annehmen können.

Auf meiner Homepage www.chancezuleben.de findest Du auch aktualisierte kostenlose Notrufnummern und Mailadressen.

Und damit du nicht in finanzielle Not gerätst, informiere dich über Unterstützungsmöglichkeiten. Hier beispielsweise findest Du Infos, wie dies human ablaufen kann. Der Fond greift da, wo die Krankenkassen keine Zahlungen übernehmen. Allerdings dauern die Bearbeitungszeiten noch bis zu zwei Jahre. Da sollte sich unbedingt etwas verändern. Ich werde zu diesem Thema mit der Organisation ins Gespräch gehen.

Raube den Tätern die Macht über Dich!

Was würdest du der kleinen Christine mit dem Wissen von heute gern sagen?

Liebes Herzenskind, es tut mir unendlich leid, dass du so schlimme Dinge erleben musstest und so viel Angst hattest. Ich danke dir, dass Du dich immer heftiger gemeldet hast, bis ich auf deine Nöte reagieren konnte. Es war genau richtig, wie du dir die Zeit genommen hast, bis du mir und unserer Therapeutin vertrauen konntest. Denn nur mit dem vollen Vertrauen wurde die Heilung unserer Seelen möglich. Nun können wir all deine und meine wundervollen Fähigkeiten ausleben. Ich liebe Dich und danke Dir von ganzem Herzen dafür! Lass uns in der Sonne tanzen!

Möchtest du selbst noch etwas mitteilen?

Vielleicht bist du heute noch ein kleines verletztes Sonnenblümchen mit hängenden Blättern. Dann beginne nun mit dem ersten Schritt. Was brauchst du gerade? Wovor willst du dich schützen? Erlaube dir, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Je besser du auf dich achtest, umso mehr kannst du zu einer stattlichen Sonnenblume heran wachsen. Finde Deinen Weg!

Herzlichen Dank für das Interview und deine Offenheit!

Informationen über Christine und ihre Bücher sind auf ihrer Webseite www.chancezuleben.de zu finden. 

Bildquelle: Christine Striebel