Montag, 1. November 2021

Aus dem Autorennähkästchen geplaudert: Mein Kampf mit der "Llorona"

Eine schwere Geburt!

An meinem Buch "Im Schattenreich der Llorona" schrieb ich mehrere Jahre, mindestens zwei insgesamt. 

Ich legte zwischendurch mehrere längere Pausen ein, in denen ich andere Bücher schrieb und auch veröffentlichte. 

Die "Llorona" ließ mich nie endgültig los und bekam mich auch immer wieder zu packen, aber ich blieb nicht die ganze Zeit über konsequent dran, was für mich und meine Arbeitsweise ausgesprochen ungewöhnlich ist. Es war, als müsste dieses Buch immer wieder gären und reifen, bevor es an der Zeit für den nächsten Schritt war.

Schwieriger Entstehungsprozess

Und dieses Manuskript floss mir auch nicht mühelos aus der Feder, wie es die meisten meiner anderen Bücher taten! 

Normalerweise stelle ich mich der schöpferischen Kreativität zur Verfügung und lasse sie durch mich hindurchgleiten, selbst gespannt darauf und erstaunt davon, was am Ende dabei für ein Ergebnis rauskommt. 

Die letzten vier Bücher schrieben sich quasi von selbst. Nicht aber die Llorona!

Mit ihr habe ich gebalgt und gekämpft, mich überworfen und wieder süßsauer vertragen. Ich ackerte mich durch den Plot, der doch eigentlich feststand. Ich verwarf kurz vor dem Ende das Ende und nachher schrieb ich es erneut um, allerdings wiederum nochmal ganz anders, als ich ursprünglich geplant hatte. 

Ich war unzufrieden und frustriert über das Resultat, das Buch schien sich mir gegenüber irgendwie bockig und patzig zu gebärden. Gleichzeitig rief es mir immer wieder säuselnd und verlockend zu: "Bring mich raus! Ich bin gut!" Der Überarbeitungsprozess, eh keine meiner Lieblingstätigkeiten, wurde zur reinsten Folter. Bis ich mit diesem Buch Hand in Hand ging, wuchsen mir etliche graue Haare aus dem kreativen Schopf!

Wir alle sind Menschen und eben nicht perfekt. Manchmal tun wir uns mit der Arbeit leicht und geraten in den Flow, aber zu anderen Zeiten eben nicht. Das war mir klar, das konnte ich akzeptieren.

Aber irgendwie musste mehr dahinterstecken als der Umstand, dass etwas, was mir seit Jahren leicht von der Hand geht, plötzlich in Anstrengung und Verbissenheit ausartete.

Den Gründen dafür musste ich auf die Spur kommen!

Das Buch war als unterhaltsamer, spannender, mystischer Grusel geplant. An einer Hauptfigur, die das Wasser fürchtet wie sonst nichts auf der Welt, hatte ich als ehemalige Rettungsschwimmerin meine helle Freude - und trotzdem knarzte und knirschte es im literararischen Gebälk und das Buch und ich, wir wurden lange nicht warm miteinander, bis wir uns schließlich versöhnten. 

Jetzt sind wir enge Vertraute - es durfte auf den Markt! 

Warum war der Weg bis dahin so kompliziert?

Nun, was als oberflächliche Unterhaltung von mir gedacht war, entpuppte sich als regelrechte Schattenbearbeitung in meiner eigenen Seele. 

Unglaublich, aber wahr: Der Roman ging beim Schreiben und geht wohl auch beim Lesen viel tiefer, als es eigentlich mein Ziel gewesen war!

Da sind die beiden Freundinnen, die sich überwerfen und dann zu Feindinnen werden! Da ist in Geistergestalt jene Mutter, die ihre Kinder ertränkt, um ihren untreuen Ehemann zu bestrafen. Da sind tiefliegende, existenzielle Ängste,Todesängste und dazu eine für Spuk empfängliche Psyche - alles Themen, die weiter reichen, als ein spannender, aber oberflächlicher Pageturner es vermag!

Warum die Llorona sich so sperrig gebärdete:

Geplant war solide Unterhaltung, aber entstanden ist letztlich eine intensive Innenschau, das Psychogramm zweier Frauen, die von Ängsten und Hoffnungen getrieben sind, die an sich selbst verzweifeln oder wahlweise wachsen, die stark und schwach zugleich sind und dies in allen Facetten zeigen.

Mein Anspruch an das Buch war geringer gedacht als später ausgeführt. 

Und jeder intensive Kampf kostet Schweiß, Blut und Tränen. So auch meine "Llorona", die nun viel tiefer in die menschlichen Schatten eindringt, als ich ihr zunächst hatte zugestehen wollen.

So kann es eben manchmal auch gehen.

Was daraus zu lernen ist:

Weniger planen, plotten und recherchieren, mehr Bauchgefühl einbeziehen und die Intuition sprechen lassen. Erzähltheorie ist nicht alles im Leben einer Schriftstellerin. 

Sind nicht menschliche Schicksale, die unseren nahekommen, genau das, was uns im Herzen berührt? Eben, weil die Figuren uns in ihrer Not und in ihrem Glück so verdammt ähnlich sind?

Hab Freude an dem Buch und erhasche vielleicht sogar mal einen Blick auf deine eigenen Schatten, die im Dunklen lauern! Vielleicht steht auch bei dir die Llorona irgendwo in einer dunklen Ecke und lauert auf den Moment, in dem sie zuschlagen kann?

Bildquelle: www.pixabay.de