Montag, 7. Februar 2022

FÜRSORGE: Ich schenke dir eine Kraftquelle aus meinem neuen Buch "Kraftquellen für den Alltag und in Krisen"!

"Ich hatte das Glück, einen wunderbaren Jungen großziehen zu dürfen und kann im Nachhinein bestätigen, dass das Gebären und Erziehen eines Kindes eine einzige permanente Abfolge von fürsorglichen Gedanken, Gefühlen und Aktivitäten ist. 

Alles dreht sich um das Kind: Man kuschelt sich abends zu ihm ins Bett, liest und singt ihm etwas vor. Man setzt ihm eine Mütze auf, wenn es draußen kalt ist. Man wickelt ihm kalte Lappen um die Waden, wenn es fiebert. Man schmiert Schulbrote, kocht Essen und geht zum Elternabend. Man fragt Vokabeln ab, putzt das Zimmer, sorgt für einen vollen Kleiderschrank. Man schubst es auf der Schaukel an, immer darauf bedacht, dass es nicht runterfällt. Man fährt mit ihm Inlineskaten, zum Picknicken und in den Zoo. Man spart sich Geschenke vom Munde ab, formuliert Bewerbungsanschreiben, bedient die Best Buddys mit Cola und Chips und checkt den Ausgehlook. Man schenkt Ohr und Herz bei Liebeskummer, Schulproblemen und tausend anderen Stolpersteinen, die das Leben mit sich bringt.

Ja, die meisten Eltern sind menschengewordene Fürsorge und es ist ganz erstaunlich und auch ein wenig schade, dass diese Art von liebevoller Aufmerksamkeit in Familien zwar ausdrücklich gewünscht, in allen anderen Bereichen des Lebens jedoch verpönt zu sein scheint und sogar ein wenig verspottet wird. In der Geschäftswelt jedenfalls und überall da, wo wir uns nicht in sehr persönlichen, intimen Kreisen bewegen, werden allzu bemühte Muttis und Vatis gern einmal belächelt und in ihrer eigentlichen Funktion nicht immer ernst genommen.

Wäre es aber doch nicht wunderbar, wenn wir eine Kultur gegenseitiger Fürsorge pflegen würden, in der man darauf achtet, wie es allen geht und sich darum kümmert, wenn jemand etwas braucht? Würden alle Menschen so handeln, wären alle versorgt! Mich erschreckt immer wieder, welch schlechten Stand Herzenswärme in der Gesellschaft hat: Klar, man kann sich nichts mit ihr kaufen, nicht mit ihr angeben und auf den Putz hauen, die eigenen Bedürfnisse nicht eigennützig und sogar auf Kosten anderer durchsetzen. Herzenswärme gilt als schwächlich, weich und (zu Unrecht!) weiblich – und das will in der Welt des Erfolges, in der Status, Einkommen und Erfolg den größten Teil der Persönlichkeit zu definieren scheinen, niemand sein!

Ein solches Umfeld ist kalt, herzlos und einsam. Ich denke und hoffe, es ist endlich an der Zeit, zu Pionieren zu werden und im Sinne einer neuen Ausgestaltung des gemeinsamen Lebens mutig voranzuschreiten! Würden wir uns umeinander kümmern, müsste niemand Hunger, Not, Elend oder Armut leiden, während andere auf Kosten der ökonomisch Schwächeren groteske Geldberge auf ihren Konten scheffeln! Würden wir aufeinander achtgeben, könnte mehr Zuneigung fließen, das Zusammenleben friedlicher gestaltet werden, Konflikte und Auseinandersetzungen sanfter gelöst werden. Es darf auch mal knallen – aber nicht unter der Gürtellinie! Ein wertschätzender, respektvoller, aufmerksamer und gütiger Umgang untereinander käme jedem von uns zugute.

Man mag diese Sicht auf die Welt und die Menschen blauäugig nennen, lächerlich sozialromantisch, ewiggestrig, nostalgisch. Vor allem, weil wir wissen, dass es immer jene Gauner, Schurken, Egoisten und Nutznießer geben wird, die ein System gegenseitiger Hilfe und Rücksichtnahme karikierten, gar ad absurdum führen. Aber man muss auch mal bedenken, warum manche Menschen es nicht schaffen, ihre lichtvollen Seiten zu leben, sondern ständig in ihren Schatten verstrickt bleiben: Da es das ultimativ Böse in all seinen Ausprägungen nicht grundlos gibt, dürften es wohl die Wunden und Verletzungen sein, mit denen „das Böse“ sich vor „dem Bösen“ zu schützen versucht. Und diese Wunden und Verletzungen fügen wir einander zu! Wären wir also milder, nachsichtiger und liebevoller unseren Mitmenschen gegenüber, könnten alte Wunden heilen und neue vermieden werden. Ein heilender Engelskreislauf könnte in Gang gesetzt werden.

Und was wäre denn, würden wir einander die Mützen aufsetzen, wenn der Wind auffrischt? Wir hätten alle warme Ohren! Wir würden uns auf der Schaukel anschubsen und im Fluss dieser Bewegung, bei der jeder mal im Wechsel drankommt, könnten wir alle unser ganz ureigenes Potenzial entfalten!

Fürsorge selbst kann sich in vielen unterschiedlichen Handlungen zeigen, manche davon mit weniger Aufwand, manche mit mehr. Fürsorglich zu sein bedeutet, das Wohl eines Gegenübers im Blick zu haben und bei den eigenen Aktivitäten zu bedenken. Das tut uns nicht weh und es kostet uns nichts.


Mein Sohn und ich
Mein Sohn und ich vor siebzehn Jahren

Zehn Wege, um mehr Fürsorge in dein Leben zu bringen:

1. Lasse fürsorgliche Taten in deinen Alltag einfließen: Koche mal den Kaffee für das ganze Team, wenn du morgens ins Büro kommst (Falls du natürlich der Einzige bist, der das immer tut, ist eine klare Ansage fällig!). Frage deine Kollegin, ob sie ein Brötchen vom Bäcker möchte, wenn du in die Mittagspause gehst. Steck dem Bettler dein Kleingeld zu. Nimm den Müll mit, den ein Umweltferkel im Wald hinterlassen hat, wenn du bei einem Spaziergang darauf stößt. Grüße freundlich. Lächle herzlich. Kommuniziere klar und eindeutig. Halte jemandem die Tür auf, sei höflich und achtsam. Schalte das Licht aus, das ein anderer vergessen hat. Gieße die Blumen, wenn du merkst, dass die Erde ausgetrocknet ist. Frage, ob jemand Hilfe und Unterstützung braucht, wenn du siehst, dass dem so sein könnte. Stelle nötige Informationen zur Verfügung. Bleibe fair und wohlwollend. Kritisiere sachlich und leiste auf eine erwachsene Art Widerstand, wenn es angebracht ist. Du wirst, wenn du ein bisschen aufmerksam bist, sehr schnell merken, wann und wo du fürsorglich sein kannst. Und wenn du dies für dich umsetzt, wird sich auch dein Leben wandeln: Menschliche Handlungsweisen wirken im Schlechten wie im Guten ansteckend.

2. Prüfe den Grad deiner Fürsorglichkeit sehr genau, denn manchmal ist es auch zu viel des Guten. Es kann sein, dass du Menschen Verantwortungen aus den Händen nimmst, die gar nicht für dich bestimmt sind. Es kann Bequemlichkeit und Egoismus fördern. Es kann sogar nerven und als ungefragte Einmischung empfunden werden, wie gut es auch gemeint sein mag. Und es fördert Unselbstständigkeit und Abhängigkeiten, die keiner Seite guttun.

Wie bei allem im Leben ist auch hier Balance gefragt: Weder braucht deine erwachsene Tochter einen Rundum-Haushaltsservice und ständige finanzielle Zuwendungen, die nur verhindern, dass sie lernt, auf eigenen Beinen zu stehen. Noch musst du deine abendliche Verabredung absagen, weil deine Kollegin mit Jammermiene ihre ungeliebte Arbeit und damit eigene Überstunden auf dich abwälzen will. Fürsorge ist gut, Überfürsorglichkeit überspannt den Bogen. Lasse dein eigenes Pendel zwischen den Polen Eigen- und Fremdverantwortung hin und her schwingen und sich sauber in der Mitte platzieren.

3. Bewahre dir dein weiches, zärtliches, offenes Herz, wenn du ein solches hast. Es mag manchmal scheinen, als seien Menschen mit einem solchen Herzen nicht besonders kompetent für die Art von Leben, die zu führen wir angeblich bestimmt sind. Doch wenn wir uns eine neue, andere Art von Leben wünschen – ruhiger, weniger hektisch und weniger stressig, unter der Prämisse anderer Werte – dann kommen wir nicht umhin, selbst dafür zu sorgen, den Lebensstil und die innere Einstellung dazu zu ändern. Dann müssen wir ein Vorbild sein und beispielhaft umsetzen, was wir eigentlich viel lieber leben möchten. Sei du derjenige, der den Anfang macht und dem weiblichen Prinzip wieder zu der Anerkennung verhilft, die es verdient hat und die ihm so lange im Schatten des übertrieben propagierten männlichen Prinzips in unserer Gesellschaft verwehrt wurde!

4. Die Art und Weise, wie du Fürsorge ausdrückst, darf dir genau entsprechen! Meine Oma zum Beispiel backte und kochte riesige Mengen und stopfte alle Besucher mit ihren Leckereien voll – das war ihre Art, sich um ihre Familie zu kümmern. Mein wortkarger und brummiger Opa nahm mich mit aufs Feld und zeigte mir, wie man Gras mit einer Sense mäht, weil er es wohl für sinnvoll hielt, eine Zehnjährige dies wissen zu lassen. Wer wusste auch schon, wozu ich dies im Leben mal brauchen würde? Im Winter stopfte er Stroh in eine große Plastiktüte, auf der ich den verschneiten Berg hinunterrutschen konnte. Meine Schwägerin beschenkt all ihre Lieben mit wärmenden, handgestrickten Socken. Mein Lebensgefährte kümmert sich um kaputte Autos und IT-Probleme und hat eine unendliche Geduld, wenn es um meine Sorgen, Pläne, Wünsche, Ziele und Projekte geht. Meine Eltern und mein Bruder müssen ungefähr sieben Millionen Ohren haben, weil sie immer noch gut hören, obwohl ich ihnen in vielen Gesprächen welche abkaue. Auch sind sie immer mit praktischen Ratschlägen zur Stelle. Meine Schwiegermutter ist eine wahre Königin des Schenkens und Einpackens und mein Schwiegervater erfreute Herzen mit Musik. Mein Sohn glänzt durch uneingeschränkte Loyalität und Hilfsbereitschaft. Ich habe Verwandte, die sofort anpacken, wenn irgendwo Not am Mann ist und Freundinnen, die mich inspirieren, beflügeln und in meiner Entwicklung voranbringen.

So hat jeder seine ganz eigene, sehr persönliche Art, wie er sich am liebsten und besten um seine Mitmenschen kümmert. Finde heraus, welche das bei dir ist und dann gehe ihr nach Herzenslust nach. Vergiss nicht, dich an ihrer Wirkung zu erfreuen!

5. Wage den Blick über den Tellerrand. Vielleicht gibt es etwas, das du für Menschen tun kannst, die du nicht persönlich kennst? Das muss nicht unbedingt materieller oder faktischer Art sein: Jemandem etwa bei einer Shitstorm-Hetze in einem Netzwerk zur Seite zu springen oder auf eine andere Weise Zivilcourage zu zeigen und Stellung zu beziehen, kann auch eine Heldentat sein. An dieser Stelle möchte ich auch ausdrücklich auf die Belange benachteiligter oder unterdrückter Gruppen und Minderheiten hinweisen – und nicht zuletzt auf die Bedürfnisse unserer armen gebeutelten Mutter Natur.

6. Räume in deiner inneren Welt auf. Werde dir darüber klar, welche Werte es sind, die dich führen – und dann richte dein Leben danach aus. Wie auch beim Mitgefühl bist du nur stark und fähig, dich um andere zu sorgen, wenn du dich selbst in deiner Mitte befindest.

7. Selbstfürsorge darfst du auf jede Art praktizieren: Dich im Alltag bewusst ernähren, dir aber auch mal etwas gönnen. Eine Auszeit im Garten in der Sonne oder mit einem Buch auf dem Sofa. Eine Fortbildung, die du dir schon lange wünschst, die aber für deinen beruflichen Weg eigentlich nicht viel hermacht. Das Ausprobieren und Pflegen von Passionen. Heiß baden, kalt duschen, die Wohnräume gemütlich und behaglich gestalten. Einen alten Streit klären oder eine überflüssig gewordene Bindung beenden. Bewegung und Ruhe im Wechsel. Meditation oder Gebete. Zeit für dich selbst, große Träume und Wünsche, eigennützige Projekte. Nein sagen, Grenzen setzen. Ja sagen, dich bekennen. Was immer es ist, was dein Herz zum Strahlen bringt: Tue es regelmäßig!

8. Für-Sorge: In diesem Wort steckt die eigentlich eher unbeliebte „Sorge“, oder? Sie ist nicht zufällig unbeliebt: Sich sorgen ist ein absolut nutzloser Akt, der sinnlos Energie verschwendet. Meistens beschäftigt er sich mit der Vergangenheit, an der nichts mehr zu ändern ist oder der Zukunft, die noch nicht unmittelbar bevorsteht. Mach dich frei von „Sorgen“, die deinen Geist verschmutzen, ohne zu irgendeinem Ziel zu führen!

Fürsorglich sein bedeutet nicht, sich übermäßig zu sorgen, im Gegenteil: Um dich um deine Mitmenschen und dich selbst gut kümmern zu können, brauchst du dein ganzes inneres Potenzial und das ist umso stärker, je weniger geistiger und seelischer Ballast dir Hirn und Herz verstopft.

9. Wenn du in einem helfenden Beruf arbeitest oder in deinem Umfeld viele / besonders hilfsbedürftige Menschen hast, bist du vermutlich schon von Haus aus eine ziemlich fürsorgliche Seele, die schnell einmal über ihre eigenen Grenzen geht, oft unbemerkt. Bleibe in diesem Punkt achtsam und lege dir selbst regelmäßig Rechenschaft darüber ab, ob deine Bilanz noch stimmt. Du verkaufst oder verschenkst nicht nur Lebenszeit, sondern auch Energie – und du solltest dafür nicht nur Geld oder Anerkennung bekommen, sondern eben auch eine Form von Energie! Stimmt das Verhältnis nicht (mehr), wage Veränderungen. Im Zweifel hilft es immer, zunächst das Gespräch zu suchen und die eigenen Beobachtungen und Bedenken zu formulieren. Will man dann mit dir nicht nach einvernehmlichen Lösungen suchen, ist auch dies eine klare Botschaft, aus der du deine Konsequenzen ziehen kannst.

10. Würdige die Fürsorge, die dir entgegengebracht wird. Zeige, formuliere und fühle deinen Dank nicht nur gegenüber den Menschen, die sich um dich kümmern, sondern auch gegenüber der Schöpfung und dem Leben. Auch das Leben selbst mag es, wenn man seine Bemühungen anerkennt und schätzt.

(Auszug aus meinem Buch >>> "Kraftquellen für den Alltag und in Krisen".)

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