Donnerstag, 7. Mai 2020

Rezension: "Dita und die 70er" von Christiane Kriebel

Handlung:


Die 70er- ein ganz gewöhnliches Jahrzehnt?
Die goldenen 60er sind vergangen, einfach an uns vorbeigezogen. Und dennoch, besondere Ereignisse, wie Mauerbau und Prag 1968 gleiten in das nächste Jahrzehnt hinein. Mit viel Engagement lässt uns Christiane Kriebel am "Alltagsleben in Ostberlin" der 70er teilhaben. Nichts wird ausgespart. Sei es die Kulturszene der DDR, die Stasi oder aber auch nur der allgemeine "Wahnsinn" dieses Jahrzehnts, mit dem die Menschen zu kämpfen haben oder es einfach nur genießen. Ein Roman, der bei "Älteren" Erinnerungen hervorruft und "Jüngeren" zum Verständnis dient. 


Mein Eindruck:


"Dita" zu lesen ist wie mit einer guten Freundin zu plaudern! Und Freundinnen hört man doch gern zu, nicht wahr? In lockerem Ton und gut nachvollziehbar schildert uns die junge Protagonistin eine Zeit, die sowohl für sie persönlich als auch für die Welt eine ganz besondere war. Wir erfahren die Ereignisse in Ditas Leben von der späten Jugendzeit, dem Studium und bis weit über die Familiengründung hinaus, beobachten dabei voller Lust und Neugier das gesellschaftliche und kulturelle Leben in Ostberlin und begegnen vielen Kuriositäten. Und Dita, ursprünglich aus einem ostdeutschen Dorf stammend, hat es weiß Gott nicht leicht: Sie erlebt nicht nur die Irrungen und Wirrungen der Liebe in verschiedenen Facetten, sondern sucht auch verzweifelt nach ihrem beruflichen und künstlerischen Weg und eckt mehr als einmal mit der heiligen Partei der DDR an. Mit viel Humor, Gefühl und einer ungewöhnlich scharfen Beobachtungsgabe gesegnet nimmt die mutige, starke und auf charmante Art aufsässige Frau uns mit durch ihr Auf und Ab im Leben.

Mir als Wendekind hat dieser Roman ganze Welten eröffnet, die gleichermaßen vertraut wie neu waren! Ich habe bisher nicht Gewusstes dazugelernt, mich aber auch an Vertrautes aus meiner eigenen Vergangenheit erinnert, was mich gedanklich - der Diktatur zum Trotz - in eine durchaus glückliche Kindheit zurückbrachte. Dita wurde mir zu einer Freundin, die so unterhaltsam und wortgewaltig erzählen kann, dass ich als Zuhörerin glaubte, ich sei tatsächlich dabei gewesen. Orte und Menschen entstanden wie aus dem Nichts vor meinem geistigen Auge, während ich mit Dita lachte, weinte und Dinge erlebte, die längst Geschichte sind, aber nicht vergessen werden sollten.

Das Buch ist inhaltlich schwergewichtig und liest sich doch leicht wie eine Feder. Es ist ein zeithistorisch bedeutsamer Augenzeugenbericht und gleichzeitig das Bekenntnis der Gedanken- und Gefühlswelt einer tollen, sensiblen, künstlerisch begabten Frau, die das Beste aus ihrer eingeschränkten Situation macht und wirklich etwas zu erzählen hat.

Fazit:


Ein Kleinod der deutsch-deutschen Geschichte, das tiefe Einblicke in die Zeit der Diktatur und in die Seele einer ganz besonderen Figur gibt.

Das Buch wurde mir von Autorin / Verlag zur Verfügung gestellt. Dafür danke ich von Herzen. Meine Meinung hat dies nicht beeinflusst.

Handlung und Cover (Quelle)