Donnerstag, 2. Juli 2020

Rezension: "Katharina: Mord unterm Baldenberg" von Daniela Mattes


Handlung:


1680 – Krieg und Armut herrscht. Katharina erblickt das Licht eines düsteren und grausamen Zeitalters.
Zwei Jahre nach ihrer Geburt stirbt ihre Mutter. Zusammen mit ihrem Vater begibt sie sich auf die Suche nach Arbeit. In Spaichingen finden sie beim Rees-Bauer Unterkunft und eine Anstellung als Knecht und Magd. Eine harte Zeit voller Sorgen, Hunger und Entbehrungen, die Katharinas Vater nicht überlebt.

Die Bäuerin nimmt sie unter ihre Fittiche. Katharina wächst heran und träumt von einem besseren Leben. Von einem Dasein mit einem liebevollen Mann, Haus und Kindern.
Jakob, ein Hallodri aus Stuttgart, der sich mit seinem Vater überworfen hat, kreuzt ihren Weg. Er macht ihr den Hof, verspricht Liebe und Heirat ... und sie gibt sich ihm hin. Sie wird schwanger und er verschwindet bei Nacht und Nebel.
Allein steht sie vor einer ungewissen Zukunft. Ängste und Kummer nagen in ihr, sie will das ungewollte Kind nicht. In der Zwiesprache mit der Muttergottes sucht sie ihr Heil ...

Doch alles Bitten ist vergebens, sie gebiert ein Mädchen ... und versenkt es in einer Jauchegrube ...
Katharina Fischer von Trossingen ist wegen Kindstötung am 13.7.1696 im Espan enthauptet worden; sie gab sich dabei glücklich, fromm und tapfer.
(aus dem Familienregister Spaichingen)

Eine ergreifende Geschichte eines jungen Mädchens, verfasst nach wahren Begebenheiten.

 

Mein Eindruck:


Eine Geschichte zu schreiben, die sich auf wahre Begebenheiten stützt, ist nicht immer ganz einfach. Zum Einen muss man sich natürlich an die bekannten Fakten halten und ist daher in seiner schriftstellerischen Freiheit ein bisschen eingeschränkt – spannende Twists und überraschende Wendungen gibt die Story vielleicht nicht her und daher fallen sie als Option für den Autor weg. Zum Anderen mag es Leerstellen geben, die nur schwer gefüllt werden können, weil vielleicht Informationen fehlen. Auf der anderen Seite macht genau diese Art des Schreibens (und Lesens) einen besonderen Reiz aus: Man kennt vielleicht die Schauplätze persönlich oder kann sich besonders gut in einen Menschen hineinversetzen, der einmal existiert hat. Umso betroffener macht das Schicksal der jungen Katharina, die – in eine ausweglose Situation hineingedrängt – eine furchtbare Tat begeht und dafür büßen muss. 

Daniela Mattes ist mit diesem historischen Roman ein künstlerischer Spagat gelungen: Sie hat ihre Geschichte auf viele wahre Fakten gebettet, die sich sogar in Kleinigkeiten widerspiegeln: Der Leser erfährt viel über das Land und das Leben der Leute aus jener Zeit. Katharina und ihre Weggefährten werden nicht nur zu Romanfiguren, sondern auch zu Boten von historischen Kontexten, die gleichermaßen spannend wie beklemmend sind. 

Die Autorin hat aber gleichzeitig auch eine spannende Handlung entworfen, die man atemlos verfolgt. Sie hat Figuren geschaffen, mit denen man mitfühlt und mitleidet, deren Beweggründe und Gedanken man nachvollziehen und verstehen kann. Sie hat aus den trockenen Fakten eine echte Geschichte gezaubert, die man als Leser mit Hingabe verfolgt und in die man sich gut hineinversetzen kann: Die Welt, in der Katharina 1680 lebt und ihres Verbrechens angeklagt wird, entfaltet sich beim Lesen vor dem inneren Auge. Freilich ist sie auf ihre Art grausam und gnadenlos, diese Welt! Heute gäbe es andere Möglichkeiten, um die aufkommenden Schwierigkeiten in den Griff zu kriegen. Umso deutlicher spürt man die innere Not des jungen Mädchens, das völlig allein vor einem riesigen Berg an unlösbaren Problemen steht und keinen Ausweg mehr erkennt. Dieses Leid und der Druck Katharinas hat Daniela Mattes einfühlsam und in einem angenehm sachlichen Schreibstil herausgearbeitet. Man kommt kaum umhin, sich selbst zu fragen: Wie würde ich wohl handeln in dieser Situation?

 

Fazit: 


Katharina hat es wirklich gegeben. Ihr Fall hat sich – laut den verfügbaren – Akten wie beschrieben zugetragen. Da war nicht viel Spielraum für einen raffinierten, selbstausgedachten Plot. Aber es war viel Spielraum zur Entfaltung einer Geschichte, deren Ende man sich vielleicht anders gewünscht hätte! Daniela Mattes ist diesen Weg als Stimme Katharinas kompromisslos bis zum Schluss gegangen. Sie mahnt auch daran, Menschen nicht vorschnell zu verurteilen, wenn man ihre Lage und ihre Beweggründe nicht kennt. Das sagt sie natürlich nicht ausdrücklich. Aber es schimmert leise durch jede Zeile und sollte ebenso Mahnmal sein wie das Denkmal, das für Katharina in Spaichingen errichtet wurde.

Quelle Bild und Handlung: Amazon