Hätte ich doch mal...
Natürlich gibt es hunderte Wege und Arten, wie man ein Buch schreiben kann, vermutlich so viele, wie es AutorInnen (oder potenzielle AutorInnen) gibt. Trotzdem ist es auch kein Geheimnis, dass mehr Menschen ihren Buchtraum NICHT realisieren als solche, die ihr Buch tatsächlich ernsthaft planen, schreiben und veröffentlichen. Irgendwann sitzt man dann im Alter vielleicht trübsinnig in seinem Lehnstuhl und denkt: "Hätte ich es doch einfach mal gemacht!"
Ein Buch wollte ich auch schon immer mal schreiben.
Erstaunlicherweise scheinen viele Menschen mit der Idee, selbst ein Buch zu schreiben, zu liebäugeln, scheitern dann aber oft an der Umsetzung: Wenn jemand erfährt, dass ein neues Buch von mir auf dem Markt ist, gehört: "Wie toll, ein Buch wollte ich auch schon immer mal schreiben!" zur Standardreaktion. Es sorgt fast nie für gute Stimmung, wenn ich dann antworte: "Dann leg doch mal los!", denn mein Gegenüber hat häufig mindestens zwanzig Ausreden parat, warum das "einfach nicht geht".
Gründe, warum Bücher nicht geschrieben werden:
Die Gründe, warum man es dann trotz allen guten Willens und großer Motivation nicht hinbekommt, sind vielfältig: Manchmal fehlen Ideen oder die Grundidee findet nicht genug Fäden, um daraus einen festen Teppich zu weben und in eine Handlung zu münden. Oder der Mut reicht nicht aus: Angst vor Fehlschlägen und Misserfolgen, Einschüchterung durch die eigenen, viel zu hohen Ansprüche, Zweifel darüber, ob das vorhandene Handwerkszeug und die Fähigkeiten auslangen, um ein solches Projekt aus der Taufe zu heben.
Manchmal ist einfach die Zeit nicht da, vor allem, wenn Job und Privatleben jemanden vollkommen vereinnahmen. Oft ist der innere Schweinehund nicht zu überwinden, weil andere Tätigkeiten locken oder die Selbstdisziplin stiften geht. Aber häufig sind auch alle Grundvoraussetzungen eigentlich günstig und es hapert lediglich an dem Wissen, wie man nun anfangen und weitermachen könnte, um Stück für Stück ein am Ende fertiges Buch voranzutreiben.
Wie du es schaffst, ein Buch zu schreiben
Diesem Thema widme ich mich heute, indem ich aus meiner eigenen Schreibpraxis erzähle. Vielleicht gelingt es dir, wenn du auch von dem nicht realisierten Buchtraum betroffen bist, eine eigene Struktur zu entwerfen und schrittweise umzusetzen?
Anfangen kannst du übrigens immer und jederzeit. Du brauchst weder eine bestimmte Sachkenntnis oder ein besonderes Talent! Das Einzige, was für den Anfang nötig ist, sind Leidenschaft und Motivation. Wenn du dich mit dem Gedanken trägst, ein Buch zu schreiben, dann lies gern, wie ich dabei vorgehe, wenn ich ein neues Projekt in Angriff nehme.
Die vorgestellte Struktur gilt für Romane. Bei Sachbüchern / Ratgebern ergibt sich ein anderer Weg.
Von der Idee zum fertigen Roman:
1. Idee:
Die Idee ist da! (Woher Ideen kommen und wie man sich Inspiration holt, erzähle ich in einem Folgebeitrag!) In meinem Kopf hat sich ein Gedanke festgesetzt, der Gestalt annimmt und sich mehr und mehr entfaltet! An der Stelle ist wichtig, der Entwicklung genug Zeit zu geben! Manchmal kommen die Ideen schlagartig so schreibreif, dass ich nicht mehr viel daran basteln muss, manchmal entwickeln sie sich langsamer - aber immer ist ihnen gleich, dass irgendwann der Zeitpunkt auftaucht, an dem mir klar wird: Diese Idee wird wirklich ein Buch! Diesen Augenblick fühle ich im Herzen und dann mache ich mich an die Arbeit.
2. Ausarbeitung der Handlung:
Ich notiere die Handlung in einem Text, in einer Art Exposé, das ich später auch für den Klappentext als Grundlage nutzen kann. Stell es dir so vor: Ich schreibe, als würde ich einer Freundin von meiner geplanten Geschichte berichten und zwar so, wie wenn sie schon fertig wäre. Aus der Idee wird eine Geschichte, die noch nicht detailliert sein muss. Im Anschluss daran lege ich mir eine entsprechende Datei an, in der das Manuskript entstehen wird.
3. Figurengestaltung:
Aus der Handlung ergeben sich die Charaktere und die muss ich ganz genau kennenlernen. Deshalb halte ich schriftlich eine Art Steckbrief fest: Wie sehen sie aus? Wie denken, fühlen und handeln sie? Wie ist ihr Charakter, was sind ihre Eigenarten, was ihre Hobbys, Abneigungen, ihr Beruf? Wie sind die Familienkonstellationen und Beziehungen untereinander?
Ich erstelle dazu passende Moodboards oder suche mir Bilder zusammen, die meinen Vorstellungen von der Person entsprechen. Diese Kleinarbeit ist vor allem nötig, wenn ich viele Figuren habe, die die Geschichte vorantreiben. Abgesehen davon ist es blöd, wenn in einem Buch jemand blaue Augen hat und hundert Seiten später sind sie grau. Bei dieser Tätigkeit lerne ich quasi meine "Crew" kennen und gehe mit ihr in engen Kontakt.
4. Ploterstellung:
Nun weiß ich genug über die Story und die Figuren, dass ich eine ausführliche Handlung mit allen Details entwerfen kann. Das geschieht meistens stichpunktartig: Ich arbeite mich mit Papier (Karteikarten oder Block) und Stift durch die Geschichte und notiere einzeln für jedes Kapitel knapp, was darin passieren wird. Dieser Schritt ist ein bisschen tricky und auch ziemlich aufwendig, denn ich achte auf bestimmte Dinge besonders genau:
- Ich entwerfe bewusst einen funktionstüchtigen Spannungsbogen.
- Ich lasse die Figuren sich entwickeln.
- Ich vermeide unnütze Kapitel, in denen nichts Wesentliches passiert.
- Ich fülle, so gut es zu Anfang geht, Leerstellen und Logiklöcher, sonst hab ich später mehr zu tun, um die auszuradieren.
- Ich greife alle interessanten Themen auf, die sich zusätzlich während des Plottens ergeben und baue sie mit ein.
- Ich achte auf eine klare Struktur und Abwechslung in der Gestaltung.
5. Recherche:
Nun erfolgt die Recherche, die vor allem bei historischen oder wissenschaftlichen Themen unabdingbar ist. Schön während der Schritte eins bis fünf lese ich Informationen zu meinen Themen, aber nun nehme ich mir Zeit, um sie ausführlich und schriftlich zu recherchieren. Das Vorgehen wie im Studium empfiehlt sich: Material sammeln, sortieren, durcharbeiten, Wichtiges raussschreiben. Dieser Schritt macht mir selbst sehr viel Freude, weil ich Neues lernen und Wissen sammeln kann, was mich auch über mein Buch hinaus ziemlich beglückt!
6. Wahl von Perspektive und Zeit:
Beinahe kann ich schon anfangen! Aber natürlich fehlt noch der erzähltheoretische Unterboden: Ich entscheide, welche Erzählperspektive(n) und welche Erzählzeit(en) meiner Geschichte am besten dienen und bedenke die wichtigen erzähltheoretischen Aspekte, die eine Rolle spielen.
7. Das Buch schreiben:
Das eigentliche Buchschreiben: Ich schreibe. Und zwar chronologisch von Anfang bis Ende. Manchmal füge ich während der Bearbeitung Teile ein oder streiche welche weg, wenn sich die Notwendigkeit ergibt, aber im Großen und Ganzen schreibe ich gut sortiert.
Ist es ratsam, den Text während der Entstehung zu bearbeiten?
Immer, wenn ich mich wieder an die Arbeit setze, lese ich das zuletzt Geschriebene nochmal durch. Ich ändere hierbei auch schon Dinge, wenn mir Fehler auffallen oder etwas nicht gefällt. Das ist aber ein Vorgehen, das ich Anfängern nicht empfehlen würde, denn man kommt leicht durcheinander und verwirrt sich selbst. Vielleicht schreibst du lieber die erste Fassung in einem Zug herunter und gehst dann nochmal drüber.
Und was ist mit Stress?
Zum Glück habe ich beim Schreiben weder Zeit- noch Leistungdruck, auch
keine Deadlines, weshalb ich mir für Schritt sieben so viel Zeit lassen
kann, wie ich will. Das geht anderen Autoren anders und die brauchen vermutlich deshalb auch ein anderes Vorgehen.
Ich mache Pausen, wenn es nötig ist, gehe mit Schreibblockaden recht locker um (Über die berichte ich einer weiteren Folge dieser Artikelserie), lasse die Geschichte sich organisch entwickeln, warte manchmal gammelnd auf die Muse, unterbreche auch für Tage oder Wochen oder schiebe andere Projekte dazwischen.
Der Einwand könnte nun lauten: Das ist aber höchst unprofessionell! Ja, mag sein - aber es macht mir nicht nur tierischen Spaß, sondern gönnt auch meiner Geschichte das Wachstum, das sie vielleicht braucht, um so zu werden, wie ich es mir vorgestellt habe.
8. Überarbeitung des Buchs:
Das Manuskript in der Rohfassung ist fertig! Es bekommt nun spätestens (meistens aber eher) einen passenden Titel (Googeln, ob es ihn schon gibt!) und wird nochmal von mir überarbeitet, bevor es ins Lektorat geht. Genaugenommen sogar dreimal, denn ich setze drei Schwerpunkte beim Überarbeiten:
Handlung, Inhalt, Logik, Stimmigkeit und Spannung
Hier achte ich auf alles, was mit der Geschichte selbst zu tun hat, den Inhalt eben.
Rechtschreibung und Grammatik
Selbstredend, dass Fehler ausgemerzt werden.
Ausdruck, Stil und Lesefluss
Unglückliche Formulierungen, Wiederholungen, Bandwurmsätze, usw. kommen auf den Prüfstand.
9. Fertig!
Dann ist die erste Fassung meines Romans beendet! Wie gesagt, gibt es viele Wege und auch mein Vorgehen mit den einzelnen Schritten könnte sich in einer anderen Reihenfolge abspielen, auch die parallele Umsetzung einzelner Schritte ist möglich. Probiere einfach aus, mit welchem Weg du dich wohl fühlst!
Ein fester Plan kann dir Orientierung, Sicherheit und Struktur geben - und natürlich den Mut, den du brauchst, um dein Projekt in Angriff zu nehmen! Vergiss dabei aber nicht, spielerisch und offen zu bleiben und vor allem: Genieße den Prozess, denn ER ist es, um den es geht!
Ich wünsche dir viel Freude und Erfolg bei deinen ersten (oder erneuten?) Schritten als AutorIn!